„Lob der Oberfläche“

Elfriede Jelinek hat das Ein-Personen-Stück „Jackie“ geschrieben, das mittlerweilen als Hörspielfassung vielfach ausgezeichnet wurde. Sie lässt darin Jacqueline Kennedy Onassis aus dem Jenseits über ihr Leben monologisieren. Nicht wenige ihrer Sätze hatten für mich einen eigentümlichen Nachhall.

Gemeinhin nimmt man ja an, dass Kleider – schöne Kleider – dazu da sind, die Trägerin sichtbar zu machen. Vielleicht ist das tatsächlich zumeist so. Im Rückblick der ehemaligen First Lady aber wird dieser unterstellte, vordergründeige Zweck plötzlich mehrschichtig und damit interessant: Es geht ihr nun um den Wunsch, in der Sichtbarkeit unsichtbar zu sein.

Jackie möchte nur „Hülle und ganz Bild“ sein. Kleider geben ihr die Möglichkeit, darin abwesend und (was fast paradox scheint) unsichtbar zu sein. Sie denkt „sich im Kleid aufsparen“ zu können. „Ich verschwinde hinter meinen Kleidern“, beschreibt sie deren Bedeutung.

Jelineks Auseindandersetzung mit Hülle und Oberfläche ist auch in einem Aufsatz in der Süddeutschen Zeitung (März 2000) nachzulesen.
Man merke hinter all den Stoffschichten das Existenzielle – verborgen im Thema Mode: „Von wenig Dingen verstehe ich so viel wie von Kleidern. Ich weiß wenig von mir, interessiere mich auch nicht sehr für mich, aber mir kommt vor, daß meine Leidenschaft für Mode mir mich selbst ersetzen kann.“ Und uns wird plötzlich klar, wie weit für Jelinek der Horizont des Themas gespannt ist.
(vgl. auch Thomas Eder und Juliane Vogel (Hg.): Lob der Oberfläche. Zum Werk von Elfriede Jelinek, München: Fink 2010, S. 71-85. )

Die Gedanken der Literatin sprechen zu mir, wenn ich herauszufinden suche, warum ich Kleider und Stoffe male.