Auf 100 jährigem Papier

Gesprächsprotokolle (Palimpsest), 2024; 26×35 Tinte/Faserstift/Ölkreide auf 100jährigem Papier

Warum sollte man auf so delikater Unterlage etwas wagen? Ich habe mir die Frage nicht gross gestellt. Ich hatte da ein Buch, mit dem ich nichts anzufangen wusste, das mir als altes Material aber zu wertvoll erschien, um es einfach loszuwerden.

Die Geschichte des Buches: jemand hatte es mir mit der Vorstellung geschenkt, es könnte für mich hilfreich sein. Der gewichtige Band ist in Leder gebunden, das Papier brüchig und man findet darin fromme Bilder biblischen Inhalts und Predigten von namhaften Theologen des frühen 20. Jahrhunderts. Eigentlich handelt es sich also eher um ein Zeugnis zur Exegese-Geschichte, denn so wie damals gepredigt wurde, könnte man heute vor keine Gemeinde treten.

Und so lag das Buch lange herum, wurde verschiedentlich zweckentfremdet – es ist gross und schwer – und mauserte sich mit der Zeit zu einem veritablen Arbeitsbuch, das mich noch lange begleiten wird.

Ich lernte von Voraussetzungen auszugehen die Bilder- und Textseiten vorgaben, es reizte mich zunehmend, mit ihnen etwas anfzufangen – sie zu verwandeln und sie mir damit zu Eigen zu machen. Jede Seite wird betrachtet und bekommt eine neue Identität, sei’s duch eine monochrome Grundierung, durch Übermalung, durch Collagen – was immer sich anbietet. Jede Seite wurde und wird so zerstört und bewahrt.

Heute nennt man das upgrading: einem neuen, wichtigeren Zweck zuführen. In diesem Fall finde ich „zweckfrei“ die bessere Beschreibung.