Affaire de famille

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„Affaire de famille“ empfinde ich als schillernden Titel, welcher Vielem Platz bietet.

Von „Familienangelegenheiten“, durchaus mehrdeutig, reich beladen, bis zu – etwas holperig, Wort für Wort übersetzt – „Sachen der Familien“, das bodenständig und einfach daherkommt, spannt sich ein weiter Bogen.

Einerseits assoziiere ich, was Familien so bewegt, womit sie sich herumschlagen, was sie weiterbringt, was sie lähmt, spaltet oder auflöst oder was sie zusammenkittet – alles abzulesen an Traditionen, Bräuchen, Ritualen, Geheimnissen, Talenten und Unvermögen, Fluch und Segen.

Andererseits ist, was wir im Grunde brauchen, um unsere Tage, Jahre, das Leben zu bestehen, simpel: etwas Geschirr, einige Kleider, Bücher, hie und da eine Reise, um über den Gartenzaun schauen zu lernen, damit wir auf Ideen kommen.

Beides findet sich in der Ausstellung – das Komplexe und das Einfache. Sie ist eine Inventur des Zusammenlebens. Sie ist einerseits sehr subjektiv und andererseits in manchen Teilen auch allgemein, leicht verständlich und beruhigend.

Ich zitiere den Begriff „Inventur“ aus einem Zusammenhang, und gebe – zugegeben – dem Einfachen, dem Allernötigsten, dann doch eine Dimension, die sich schwer anfühlt. Vielleicht zählte das heute zu ungehörigen Aneignungen.

Ich tu’s, um den Horizont schlussendlich wieder aufzureissen und sie damit zu relativieren – unsere Sorgen und Nöte.

Inventur

Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.

Günter Eich 1945 (in Kriegsgefangenschaft geschrieben)